Mit den Landesausstellungen erzählt sich die Willensnation Schweiz ihre eigene Identität immer wieder neu. Nach der Expo der Landesverteidigung (1939), der Expo des Fortschritts (1964) und der Expo der Kreativität (2002) folgt nun die Expo des Lebensraums (2027). Sie handelt von Landschaft, Raum und Ressourcen und der Herausforderung, diese mittels Ideen, Infrastrukturen und Institutionen langfristig, nachhaltig und gemeinschaftlich zu nutzen. Die Landschaft wird zur grossen Bühne, zum Spielort und Thema einer Forschungsreise, der Expedition 27.
Anstatt Inhalte nur auf speziell angelegten Arealen zu verdichten, macht diese Expo Inhalte vor Ort erreichbar. Denn die technologische Pastorale der Ostschweizer Kulturlandschaft ist ein Mosaik von verschiedensten Geschichten auf kleinstem Raum. Auf paradigmatische Weise erzählen sie von unserer in Raum und Zeit verorteten menschlichen Existenz, von Vergangenheit und Zukunft, vom natürlich Archaischen («wüescht») zum technologisch Zivilisierten («schön»). Die Expo lenkt den Blick. Sie erschliesst Zusammenhänge und nutzt den Ausnahmezustand während ihrer Planung und Durchführung zur Mobilisierung, um die Landschaft partizipativ weiterzuentwickeln und sie kollektiv mit neuen Geschichten zu versehen.
Die Landschaft gliedert sich in drei grosse Landschaftsbänder: Die Berglandschaft mit der schroffen Bergwelt und den grünen Hügeln des Appenzells, die Stadtlandschaft mit der Agglomeration St. Gallen, den Landwirtschaftsflächen des Thurgau und dem Rheintal und die Seelandschaft mit der Offenheit und Internationalität der Bodenseeküste.
Die Expo bringt die drei Grundfragen «Woher kommen wir», «wer sind wir», «wohin gehen wir» in Resonanz mit dieser Geographie. Drei Eisenbahnringe verbinden diese Landschaftsbänder und dienen als Haupterschliessung: die Küstenbahn, die Bergbahn und die Stadtlandbahn. Bei der Kreuzung Winkeln werden sie zum Umsteigeort zusammengefügt. Der Expeditionsfahr- und Linienplan nutzt die freien Kapazitäten der vorhandenen Infrastruktur – freie Fahrplanintervalle, temporäre Stationen und ausrangiertes Rollmaterial – und bedient zusammen mit präzise getakteten Bussen auch kleine und kleinste Spielorte. Verbunden ist alles in einer grossen Erzählung, einem narrativen Geflecht aus alten Sagen, zeitgenössischen Mythen und Zukunftsgeschichten. Die Plots dieser Erzählwelt geben Routen vor, lenken den Blick und umspielen die reale Alltagswelt mit einer zweiten Welt, welche die erste erforscht, deutet oder visionär überschreibt.
Die Infrastruktur liefert den roten Faden, Erreichbarkeit ersetzt Dichte, das kollektive Erlebnis den Themenpark. Denn in einer Zeit zunehmender Virtualisierung und allzeit verfügbarer Information bleiben Bewegung, das Erlebnis und die Anmut des Zufalls zwingend physisch. In dieser zweiten Welt, immer wieder neu synchronisiert durch die Bahnen als Wahrnehmungsmaschinen, bewegen sich die Besucher einzeln oder in sorgfältig kuratierten Gruppen in unterschiedlichen Erzählsträngen. Das individuell erlebte oder kollektiv geteilte Abenteuer erweckt die Landschaft und ihre Erzählung zum Leben und macht sie real. Die Expo 27 ist die Expedition 27 – drei Landschaften, zwei Welten, ein Abenteuer!
Ort: Bodensee – Ostschweiz
Programm: Gesamtkonzept Schweizerische Landesausstellung Expo 2027
Wettbewerb: Internationaler Wettbewerb 2015, 1. Rang
Kunde: Kantone Appenzell Ausserrhoden, St. Gallen und Thurgau
Mitverfasser/Landschaftsarchitektur: Studio Vulkan
Mitverfasser/Architektur: Hosoya Schaefer Architects, Zürich
Mitverfasser/Text: Plinio Bachmann
Visualisierungen: Hosoya Schaefer Architects
Partner: Emch + Berger, Zürich; Integral Ruedi Baur, Zürich; KEEAS Raumkonzepte, Zürich
Die Küste
Seelandschaft
Bezugspunkt ist der Bodensee, das Ufer von Romanshorn bis Rorschach. Bedeutend und konstituierend für diese Landschaft ist, dass sie einen Übergang markiert: Sie ist auf einer Seite definiert (Uferzone, Besitzverhältnisse, Funktionen wie Badi, Schiffstation etc.), auf die andere Seite hin ist sie offen: Ausblick, Wasserspiegel, keine Grenze etc. Hier wird der Blick nach aussen getragen und die Verflechtungen mit der anderen Küste und angrenzenden Staaten spürbar.
Die Kreuzung
Stadtlandschaft
Korridor A1, die Agglomeration St. Gallen und deren Bezüge in das Rheintal, das Mittelland und das grenznahe Ausland: Die Zone beinhaltet Stadt, Landwirtschaft, Agglomeration, Dörfer, Kulturlandschaft. Allen gemeinsam ist, dass hier der Grad an menschlicher Ordnung und Überformung der Landschaft überwiegt.
Der Berg
Berglandschaft
Bezugspunkt ist die Säntisspitze. Auf sie sind die ländlichen Landstriche ausgerichtet, in denen die Natur als übergeordnetes Prinzip wirkt, dem sich das menschliche Schaffen unterordnet.